Quito • Papallacta • Baeza • Archidona • Tena • Puerto Misahuallì • Baños • Bucay • Puerto Lopez • Quito


Während des gesamten Novembers besuchte mich meine Freundin Anna Lena aus Deutschland für eine gemeinsame Reise durch Ecuador. Ihr Velotraum war natürlich auch mit im Gepäck. Da dieses Land trotz seiner recht kleinen Fläche landschaftlich sehr divers ist – von den kühlen Anden bis hin zum tropischen Regenwald, bereisten wir Ecuador mit Rad und Bus. Besonders lange Anstiege, wie zum Beispiel die Überquerung der Anden, umgingen wir so.

Die ersten Tage verbrachten wir in der Hauptstadt Ecuadors, in Quito. Auf etwa 2.900m Höhe akklimatisierte sich Anna Lena schneller, als ich es anfangs meiner Reise in Bogota getan hatte. Wir nutzten die ersten drei Tage, um anzukommen und die Altstadt Quitos, das Centro Historico, anzuschauen. Das belebte Viertel mit seinen steilen Anstiegen machte uns das Ankommen in die neue Kultur leicht. In den touristisch belebten Straßen wird man gerne von der Polizei angesprochen, die den Touristen Flyer über Quito verteilen und gerne weiterhelfen – auf Spanisch. Da wir kurz nach einem Feiertag in der Stadt ankamen, hatten wir das Pech, dass viele Restaurants geschlossen waren. Generell mussten wir feststellen, dass die Restaurants recht früh schließen und die Geldautomaten nicht alle auf Anhieb funktionierten. Aber das stellte in unserem Fall kein großes Problem dar. Was speziell für meine Freundin etwas gewöhnungsbedürftig war, war das ecuadorianische Essen: Reis und Hühnchen zum Frühstück waren für sie als Vegetarierin nicht unbedingt die erste Wahl. Aber mit ein paar Versuchen gelang es uns ab und zu, die Mahlzeiten ohne Fleisch zu bestellen. Die Frage nach vegetarischem Essen erzeugt jedoch nicht selten ein schräges Lächeln oder man wird gar ausgelacht. Ein kleiner Tipp: Wer seinen Morgenkaffee vor dem Essen möchte, sollte dies unbedingt sagen, ansonsten wird dieser gerne erst nach dem Essen serviert!
Unsere erste Tour starteten wir östlich Quitos auf 4.000m Höhe. Dafür fuhren wir mit unseren Rädern an das Südende Quitos und nahmen von dort den Bus in Richtung Papallacta. Auf die Sicherheit der Touristen wird in Quito sehr geachtet: auf dem Weg zum Bus wurden wir die letzten Kilometer von einer persönlichen Polizeieskorte begleitet, bestehend aus einem Polizisten auf dem Motorrad. Nach etwa einer Stunde Busfahrt stiegen wir ein paar Kilometer entfernt vom Ort Papallacta aus und zelteten auf 3.700m Höhe. In dieser Höhe einen geeigneten Zeltplatz zu finden ist nicht einfach, da in diesem Teil der Anden der typische Paramo-Bewuchs die Berge prägt. Findet man mal eine ebene und freie Stelle, ist diese zudem oft moorig. Schließlich entschieden wir uns für eine Einbuchtung an einem kleinen Weg, abseits der befahrenen Straße und somit weg von den lauten Fahrzeugen. Beim gemeinsamen Zelten fühlte ich mich deutlich entspannter, als es bisher alleine der Fall gewesen war. Wir machten uns in der Abenddämmerung (circa 18.00 Uhr) mit dem Multifuelkocher noch eine Nudelsuppe und legten uns anschließend in unseren warmen Klamotten und Schlafsäcken schlafen. Trotz der 6°C am Morgen hatten wir nicht gefroren, und ein heißer grüner Tee und Kaffee ließen uns entspannt in den Tag starten. Das gemeinsame Zelten und Kochen war für mich eine wohltuende Abwechslung und durch das Zu Zweit Sein wich in mir eine Anspannung, die ich davor beim Zelten latent verspürt hatte.

In Baeza wurden wir krank: Nachdem wir einen Tag in den wunderschönen Thermalquellen Papallactas entspannt hatten, ging unsere Radreise bergab in die Tropen. 1550m Höhenunterschied ließen den Fahrtwind immer wärmer werden und so umschloss uns tropischer Wald innerhalb weniger Stunden. Schließlich kamen wir nachmittags in Baeza an. Nach einer Stärkung in einem kleinen Restaurant machten wir uns auf die Suche nach einer Unterkunft – leider ohne Erfolg. Dann sprach uns auf der Straße ein Mann im Arztkittel an. Ein paar Sätze später mit unserem schlechten Spanisch erkannten wir, dass uns Pablo bei sich zum Übernachten einlud. Dankend nahmen wir das Angebot an, da es bereits zu spät für eine Weiterfahrt war. Pablo schlug vor, sich in einer halben Stunde vor seinem Haus zu treffen. Als wir zwei vor dem richtig geglaubten Haus standen, war Anna Lena zunächst skeptisch. Ein trüb-gelbes Haus mit einem abgedeckten, aber offensichtlich rostigem Auto in der Einfahrt erfüllte alle Horrorfilmklischees, die man sich wünschen konnte. Würden wir etwa hier im Garten übernachten? Doch dem war zum Glück nicht so. Pablo lebte mit seiner Familie zwei Häuser weiter und wir durften uns in einem Anbau des Hauses ausbreiten und hatten sogar eine eigene Toilette. Wir planten zwei Tage in Baeza ein, um dort die tropische Gegend mit ihren Wasserfällen zu erkunden. Doch nach einem Tag kam uns eine Lebensmittelvergiftung in den Weg. Mir ging es nach einem Tag wieder gut. Anna lag jedoch 3 Tage flach. Somit mussten wir unseren Aufenthalt etwas verlängern. Das war uns gegenüber Pablo und seiner Familie sehr unangenehm, aber die drei waren sehr herzlich und versorgten uns sogar mit Medizin. Während draußen auf den kleinen Straßen die Hunde laut bellten und umherliefen, besuchte uns regelmäßig zur Aufmunterung die kleine Babykatze von Pablos Familie ‚Lopola‘. Nach vier Tagen konnte es dann endlich weiter gehen.
Der kleine Hund Capitan: Ein paar Tage später, von Archidona nach Tena, nahmen wir einen Umweg durch ein kleines Dorf im Amazonas. Eigentlich wollten wir dort übernachten, da sich das kleine Dorf direkt an einem breiten Fluss befand und sich somit die Gelegenheit zum Baden bot. Doch die Google Maps Einträge bezüglich vorhandener Unterkünfte schienen nicht mehr zu existieren (mal wieder). Ein junger Mann mit freiem Oberkörper war die einzige Person, die wir auf der Straße des verschlafenen Dorfes trafen. Ich fragte ihn nach Unterkünften, doch dieser antwortete kurz angebunden “Nein”. Diese Erfahrung hatte ich bereits öfters gemacht: Google Maps bietet in Südamerika bei Weitem keine zuverlässigen Informationen. Viele Hotels, Restaurants und Bars mussten außerdem während der Coronapandemie schließen, aber löschten ihre Interneteinträge nicht. Doch noch bevor wir das Dorf verließen, trafen wir bei einem Holzhäuschen auf zwei Welpen. Neugierig beschnupperten sie uns. Der kleinere Welpe hatte einen dicken, aufgeblähten Bauch. Er watschelte mehr wie eine Ente als ein junger Hund hinter uns her, und Anna Lena identifizierte dies als einen Wurmbefall. Es war eine unglückliche Situation: Dieser kleine Hund war offensichtlich krank, doch wir wussten nicht, wie wir ihm helfen konnten, denn leider fanden wir niemanden auf dem Grundstück, den wir darauf ansprechen konnten. Außerdem mussten wir uns zeitnah auf dem Weg in die nächste Stadt machen (Tena), um nicht plötzlich mit unseren Rädern im dunklen Amazonas zu stehen.
In Tena angekommen bekamen wir den kleinen Hund nicht aus unseren Gedanken, also baten wir am nächsten Tag einen Tierarzt um Rat. Nach ein paar Sätzen mit einer Sprachapp verkaufte uns dieser ein Medikament gegen Parasiten. Wir machten uns ein zweites Mal auf den Weg in das Dorf, dieses Mal mit dem Bus. Das Faszinierende an Ecuador ist der Busverkehr. Obwohl dieses kleine Dörfchen, dessen Namen wir nicht einmal auf einer Karte fanden, wirklich abgelegen lag, fuhr mindestens stündlich ein Bus dorthin. Dort angekommen waren wir nervös, da wir nicht wussten, wie die Besitzer des Hundes auf uns reagieren würden. Würden sie sich angegriffen fühlen, die Krankheit herunterspielen oder das Medikament annehmen? Wir trafen bei unserer Ankunft tatsächlich die Besitzer, eine Familie, an. Nachdem sie uns gastfreundlich ihr Grundstück mit einem großen Garten an heimischen Pflanzenarten gezeigt hatten, erzählten wir von der Medizin. Die erste Reaktion, die wir im Gesicht des älteren Paares sahen, war Erleichterung und eine tiefe und echte Dankbarkeit. Wir wurden umarmt und es flossen Tränen, denn Capitan war der Hund des erst kürzlich verstorbenen Sohnes. Wir wurden darauf eingeladen, in deren Haus zu übernachten. Obwohl wir ein Zimmer in Tena hatten, sagten wir zu und genossen einen gemeinsamen Abend mit der Familie. Wir übernachteten in dem offenen Holzhaus und lauschten beim Einschlafen den Geräuschen des Regenwaldes und des Flusses.

Nachdem wir 20 Tage im Osten des Landes waren, fuhren wir in den Westen an die Pazifikküste, um unsere Reise entspannt ausklingen zu lassen. Vor allem beim gemeinsamen Essen, kleinen Ausflügen und Ausruhen am Strand in Puerto Lopez merkte ich, wie mir Annas Gesellschaft gefehlt hatte. Gemeinsames Reisen bedeutet, sich zu unterstützen, Erlebtes zu teilen und sich dies in der Zukunft gemeinsam zurück in die Erinnerung rufen zu können. Ich bin mir sicher, dass wir uns gerne und oft an diese Reise zurück erinnern. Obwohl es manchmal Situationen gab, die nicht nur positive Emotionen hervorgerufen haben, haben wir nur schöne Begegnungen mit den dort lebenden Menschen gemacht. Wir haben in Situationen Hilfsbereitschaft erlebt, in der wir gar keine erwartet hätten. Dafür sind wir sehr dankbar.
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