September 2022 – März 2023

Das Reisen mit dem Fahrrad

Ich begegne immer wieder Reisenden, die mir erzählten, sie hätten innerhalb weniger Wochen mehrere Länder bereist. Ich bin mir sicher, diese Leute waren glücklich mit ihren Erfahrungen, denn das strahlten sie meist aus. Ich persönlich verbringe jedoch lieber sechs Wochen in einem Land, als eine Woche in sechs Ländern. Daher reise ich mit dem Fahrrad durch Südamerika. Auf diese Weise und allein auf mich gestellt, erwarten mich einzigartige Begegnungen, körperliche und geistige Herausforderungen und ein tiefer Einblick in die Natur und die Kulturen.

Das Reisen auf dem Fahrrad
ist magisch. Alleine mit dem Rad in Südamerika bedeutet Natur
und Kulturen hautnah erleben.

Radreisen: Das Radreisen entschleunigt und schärft die Sinne. Es bringt viele tägliche Routinen mit sich, die, oft in ihrer einfachen Art, den Stress des Alltags verdrängen. Drei elementare Bausteine bestimmen dieses Reisen: Essen, Fahren und das Finden von Schlafplätzen. Dieses Herunterbrechen auf unsere ursprünglichsten Bedürfnisse macht (neben dem Radfahren) glücklich.

Mehrere Stunden auf dem Rad entwöhnen außerdem vom Suchtmittel Smartphone. Man beginnt zu philosophieren und die Gedanken schweifen von einem Thema zum nächsten. Zuhause merke ich immer wieder, dass mir dieser Zustand sehr fehlt.

Was unterscheidet dieses Fortbewegungsmittel von Bus, Flugzeug oder Zug? Für mich persönlich ist besonders der Kontakt zu den Einheimischen spannend. Das passiert zwangsläufig, wenn man in einem fremden Land mit dem Fahrrad unterwegs ist. Vor allem auf der Suche nach Essen, dem Weg oder Schlafplätzen frage ich oft bei den Einheimischen nach. Auch wenn manchmal eine Sprach-App nötig ist, entstehen so häufig anregende Gespräche, aus denen sich nicht selten Freundschaften entwickeln.

In Kolumbien werde ich, je weiter ich mich von der Hauptstadt Bogota entferne, immer häufiger von interessierten Menschen angesprochen. Diese halten mit ihrem Auto oder Motorrad an oder begleiten mich sogar kilometerlang mit dem Fahrrad.

Foto: Eine Klasse aus Sativasur/Kolumbien. Die Schüler auf dem Land nennen ihren Lehrer teacher. Hier hat man als “profesor” noch einen hohen Stellenwert, anders als in der Hauptstadt Bogota.

Als ich in der kleinen Stadt Sativasur ankam, gab es dort weder ein Hotel noch eine passende Wiese zum Zelten. Kurzerhand empfing mich der Bürgermeister höchstpersönlich und bot mir ein Zimmer in einer freistehenden Wohnung an – kostenfrei! In den folgenden Tagen führte mich der Englischlehrer der Stadt herum, erzählte mir von deren Kultur, deren Ökonomie und natürlich von seinen Schülern. So träumen die Jugendlichen schon früh von einer Karriere im Kohlebergbau, der die Infrastruktur und das Leben der Menschen in dieser Region maßgeblich mitbestimmt. Ein Blick auf die Straße und man entdeckt viele junge und mittelalte Männer, deren Gesichter komplett schwarz vom Kohlenstaub sind.

In der Schule waren alle begeistert von dem verrückten Radfahrer, der durch ihr wunderschönes Land reiste und auch noch den Amazonas retten wollte. An meinem letzten Tag besuchte ich die 

Schule und es entstand ein kleiner Film: https://youtu.be/5BaeyRL-PS4

Genauso spannend war der Aufenthalt bei einem jungen, sympathischen Paar. David und Kathy haben ihre Lebensweise komplett umgestellt, um im Einklang mit der Natur zu leben und ihren ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Sie zogen in ein kleines Haus auf 2800 m Höhe. Dort leben sie ohne warmes Wasser und, bis auf einen Holzfeuerherd in der Küche, ohne Heizung. Sie forsten ein großes Waldgrundstück mit lokalen Baumarten neu auf. Die invasiven Arten fällen sie und kochen damit in ihrer heimeligen Küche. Neben einem kleinen Garten haben sie mehrere Bienenvölker. Sie verkaufen Honig und Essen aus eigenem und lokalen Anbau und bestreiten so ihren Lebensunterhalt. Die beiden haben noch große Ziele und wollen in Zukunft naturliebenden Menschen gegen Arbeitskraft eine Unterkunft und Verpflegung anbieten. Ich selbst hoffe auf ein kleines Gästehaus mit warmem Wasser nebenan, denn das Duschen ist nur für Hartgesottene. Während meiner Tage bei diesem tollen Paar durfte ich in diese Bereiche ihres Lebens einblicken und bin dafür sehr dankbar. David und Kathy werden auch in meinem Dokumentarfilm zu sehen sein, den ich nach meiner Reise schneide.

Foto: David und Kathie verkaufen samstags Zarapas. Die meisten Kunden verpassen den traumhaften Ort und lassen sich ihr Mittagessen ans Auto bringen. Mir schmeckt der Maispfannkuchen im Bananenblatt dafür umso mehr.

Wenn ich meinen eigenen Text lese und an die Tage in Sativasur und die bei David und Kathy zurückdenke, weiß ich, warum ich diese Reise mache. Diese Begegnungen und Orte schaffen einen derart tiefen Einblick in fremde Länder, dass man ein Stück Heimat und vor allem Freunde gewinnt.

Ich muss Ende Februar 2023 in Manaus und Anfang November 2022 in Ecuador sein. Von Manaus aus fliege ich wieder nachhause und im November begleitet mich meine Freundin für einen Monat. Wie ich dort jeweils hinkomme, ist egal. Im letzten Jahr haben mein Freund Steffen und ich eine Tour von Deutschland über die Alpen nach Korsika gemacht. Wir hatten gerade mal 13 Tage Zeit. Obwohl die Tour grandios war, haben wir den Zeitdruck, der sich auf unsere Gemüter und auch auf unsere Beine negativ auswirkte, gespürt. 

Wir hatten nur einen Ruhetag und fuhren zu oft am Limit, was uns Knieschmerzen bescherte. Während einer besonders anstrengenden Etappe mussten wir sogar die Nacht durchfahren, da alle Hotels ausgebucht waren.

Auf dieser Reise mache ich konsequent einen Ruhetag, sobald ich merke, dass mein Körper rebelliert. Meist ist ein schmerzendes Knie nach einem Tag der Ruhe wieder in Ordnung. Vor allem gebe ich aber meinem Entdeckerdrang nach. Wenn ich eine interessante Route sehe, dann fahre ich sie. Die Neugier danach zu stillen, was hinter der nächsten Kurve lauern mag, ist berauschend und unendlich. In Ländern wie Kolumbien ist zugegeben nicht immer klar, ob kleine Wege privat oder öffentlich sind. Die Möglichkeit, endlose Waldwege frei begehen zu dürfen, ist ein Privileg, das ich bereits in asiatischen Ländern vermisst habe.

Natürlich gibt es Phasen, in denen ich Strecke zielorientiert abfahren muss. Da meine Freundin Anna Lena bald nach Quito fliegt, wähle ich eine direkte Route aus und plane keine mehrtägigen Aufenthalte. Dieses monotone Fahren schenkt mir nach den abenteuerlichen Wochen, die ich hinter mir habe, auch ein bisschen Ruhe. 

Foto: Am Rand der märchenhaften Anden nahe Tauramena/Kolumbien

Wir Radfahrer sind stolz und dieser Stolz steht uns oft im Weg. Auch ich habe den unterbewussten Drang, die gesamte Strecke mit dem rad zu fahren. Doch genau das erzeugt einen Druck, der mich vom Positiven der Reise abhalten würde. Bevor ich also zu spät in Quito ankomme, nehme ich lieber einen Bus.

Dasselbe gilt für die Geschwindigkeit. Ehrgeiz, mit einem hohen Durchschnitt zu fahren, hat auf einer “normalen” Radreise nichts zu suchen. Dies überfordert mental und physisch. Ebenso sollte man nicht auf Ruhetage verzichten. Ohne die nötige Regenerationsphase baut der Körper keine Kondition auf, sondern ab… und wer will das schon.

Das Reisen mit dem Rad erfordert eine intensive Vorbereitung. Während des Reisens sollte man gewisse Tätigkeiten nicht unterschätzen, denn das Packen der Radtaschen, das Zubereiten von Essen, Wäsche Waschen und andere Routinen sind sehr zeitintensiv. Ich persönlich finde hier meine Ruhe.

Auch andere Dinge, in denen ich Positives sehe, sind nicht für jedermann geeignet. Sprachbarrieren, fremdes Essen, hohe und niedrige Temperaturen sind Dinge, auf die man sich einstellen muss, sowohl mental als auch beim Equipment.  

Eine ausgedehnte Radreise bringt viele Herausforderungen mit sich und genau diese sind es, die uns verändern und an denen wir wachsen. Fast jeder Mensch ist (mit dem richtigen Equipment) in der Lage, eine kleine oder große Radreise zu unternehmen. Selbst ein Alpencross über die Via Claudia Augusta Route schafft ein durchschnittlich sportlicher Mensch. 

Wer also überlegt, eine solche Tour zu starten, den möchte ich dazu ermutigen. Es müssen ja nicht Monate sein. Schon ein bis zwei Wochen sind sehr erfüllend!

Spenden für den Amazonas: https://www.gofundme.com/f/rgrpar-cycling-for-the-amazon?utm_source=customer&utm_medium=copy_link_all&utm_campaign=p_cp+share-sheet

Instagram: https://www.instagram.com/langhans.julian/

YouTube: https://www.youtube.com/channel/UCVh-GlbR6j3uF2avw318AWQ

Mein Fahrrad (sponsored): https://velotraum.de/produkte/finder/?filter=pinion

Meine Kleidung (sponsored -> affiliate Link): http://triple2.de?sPartner=8a0c763e

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